Zu allen Orten, an denen ich Leinwandstücke in Erden oder Moore lege und je gelegt habe, hege ich eine besondere Beziehung. Es sind magische Orte, an denen ich Stille und Grün erlebe. Auch riechen sie frisch nach Pflanzen und Wasser.
Erfüllt ein Platz diese Voraussetzungen, vergrabe ich Leinwandstoffe so, dass ich deren Ecken herausragen lasse, nehme davon Fotos, um sie zwei Wochen später wiederzufinden. Auf diese Weise lasse ich meinen Kunstwerken die Natur ihren ganz eigenen Stempel aufdrücken. Es ist eine Art Grundierung der Leinwandbilder eben nicht aus chemischen Materialien sondern aus natürlichen Sedimenten.
An einem warmen Sommertag 2019 gehe ich durch den schattigen Wald. Der Weg verläuft nahe dem Tonteich in Wohltorf. Anfang des 20. Jahrhunderts befanden sich hier die Friedrichsruher Tonwerke. Nachdem 1911 jedoch die Ziegelei völlig niedergebrannt war, verfielen die Gebäude und die Tongrube füllte sich mit Wasser. Das ist unser Glück, denn wir können heute das leicht saure Wasser genießen, was nicht nur erfrischt sondern auch der Haut guttut. Angesichts der interessanten Entstehungsgeschichte dachte ich mir, dass der Boden in der Umgebung des Tonteichs ideal sein müsste, um hierin Leinwandstoffe zu vergraben.
Also machte ich mich daran, unweit des Tonteichs eine spannende Stelle zu suchen.
Tatsächlich entdecke ich eine weite, schlammige Senke mit Schilfgras bewachsen, umgeben von Bäumen. Je weiter ich vom Waldweg weg nach unten steige, desto feuchter wird der Untergrund. Der Boden ist wässerig und lehmhaltig. Für meine spezielle Kunst sind das die besten Voraussetzungen. Mit einer kleinen Gartenschaufel vergrabe ich die Stoffe so, dass die Enden hinausragen. Hier entdecke ich zahlreiche Spuren von Wildschweinen, die es sicher lieben, sich in der Matsche zu suhlen. Meine vergrabenen Leinwandstücke werden sie sicher nicht stören. Vielleicht erhalte ich ja ihre Fußabdrücke darauf.
Mit und in der lehmhaltigen Erde zu graben, ist ein archaisches Erlebnis, natürlich fühle ich mich dabei auch an meine frühe Kindheit erinnert.
Vierzehn Tage später ist es soweit. Anfang September hole ich die Stoffstücke nahe dem Tonteich ans Tageslicht. Im Gegensatz zu dem sonnigen Wetter neulich, beginnt es just in dem Moment stark zu regnen. Daher beeile ich mich mit dem Ausgraben, damit weder ich noch die Leinwandstücke allzu nass werden. Die erdfarbenen Stoffe schlage ich kräftig aus, um sie von groben Stücken zu befreien. Diese hätte ich mit noch so viel Acrylbinder niemals fixieren können. Die kleinen Partikelchen jedoch lassen sich mit Bindemitteln sehr gut auf die Leinwand bannen. Schnell wird sichtbar, dass ich sehr interessante Naturbilder vor mir habe. Sie waren fast fertig und hatten schon eine spannende Ausstrahlung. Tatsächlich habe ich Spuren von Wildschweinen einfangen können.
Es dauerte einige Monate bis ich es wagte, diese natürlichen Abdrücke farbig zu ergänzen. Ich hatte große Angst, die schöne Wirkung zu zerstören, sie zu stark zu überdecken. Daher ging ich bei meiner künstlerischen Bearbeitung mit äußerster Vorsicht vor.
Es entstanden diese Kunstwerke, die ich mit kleinen Magneten oben am Rand an meine metallene Ateliertüre gehängt habe, um sie für diese Seite zu fotografieren.